Text: Jan Bergrath, Veronika Reich Fotos: Jan Bergrath
Leidenschaft für Leistung
Arbeitsklima, Bezahlung, mehr Freizeit und vor allem Wertschätzung – darauf achten Lkw-Fahrer heute und wohl auch morgen. Scania in der Flotte ziehen dabei immer.
Ein Lkw-Fahrer fährt Lkw, weil er Lkw fahren will. So wie Holger Nitsche. Seit 2007 arbeitet er für Herbert Köhler Transporte aus Goslar-Jerstedt. Das Familienunternehmen mit 40 Lkw, das mittlerweile von Tobias Köhler und dessen Frau Mandy geleitet wird, hat sich auf die nationale Getränkelogistik spezialisiert. „Mein Chef hat auf der IAA 2016 den ersten Scania der S-Baureihe für unsere Flotte gekauft“, so Nitsche. Mit einem Volumenauflieger pendelt Nitsche mit dem gelben Schweden zwischen den Getränkehändlern und den Brauereien. „Sowohl mit Vollgut als auch mit Leergut sind wir vom Gewicht her ausgelastet.“ Nitsche nimmt die A 14 und die A 9 Richtung München. „Dort gibt es keine Überholverbote, ich kann die Leistung des Achtzylinders voll ausnutzen. Das macht Laune.“ Und Tobias Köhler sagt: „Mit unserer sehr attraktiven gemischten Flotte, darunter 15 Scania, die sich alle durch hohe PS-Leistung und Vollausstattung auszeichnen, und dem familiären Umgang im Betrieb können wir unsere langjährigen Fahrer halten und bekommen immer wieder Anfragen von interessierten Fahrern. Das ist heute nicht selbstverständlich.“

Unternehmerpaar Mandy und Tobias Köhler setzen auf Vollausstattung und hohe Motorisierung ihrer Lkw-Flotte.
Der Mangel an qualifizierten und motivierten Berufskraftfahrern und -fahrerinnen ist zurzeit eine der grössten Herausforderungen der Logistik. Nicht nur in Deutschland, Österreich und der Schweiz – im Grunde in ganz Westeuropa. In einer brummenden Wirtschaft klagen die Frachtführer immer öfter, dass sie Touren ablehnen müssen oder die eigene Flotte zwar modernisieren, aber teilweise gezielt reduzieren, die Kundenstruktur überdenken oder Verträge mit problematischen Auftraggebern lösen. Der Grund liegt seit Jahren auf der Hand: Es gehen deutlich mehr Fahrer in Rente, als junge Leute durch eine etwa dreijährige Ausbildung wie in Deutschland oder eine staatlich geförderte Umschulung nachkommen. Diese Lücken füllen derzeit mit steigender Tendenz Fahrer aus Osteuropa, die bei westeuropäischen Firmen fest zu den jeweiligen Bedingungen sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind. Das wiederum führt in manchen Unternehmen zu Konflikten und schürt die Fluktuation. „Bei uns gibt es nur deutschsprachige Fahrer“, so Köhler. „Das wollen wiederum manche Auftraggeber.“
Der Wunsch vieler Fahrer
Die makroökonomischen Bedingungen beim Fahrermangel werden zudem dadurch geprägt, dass immer mehr Flotten aus Osteuropa auf den westeuropäischen Frachtmarkt drängen, was Transportpreise bei steigenden Kosten wie der Maut unten hält – und kaum Spielraum bietet, um Fahrerlöhne zu zahlen, die den Beruf aus finanzieller Sicht wieder attraktiv machen. Eine oft unfreundliche Behandlung an den Rampen, eine stets infarktgefährdete Infrastruktur und Termindruck durch Staus verleiden mittlerweile auch vielen langjährigen Fahrern den Beruf. Firmenchefs müssen sich darauf einstellen, dass Fahrer ganz bestimmte Touren ablehnen – und in letzter Konsequenz sogar gehen. Auch externe Experten sind sich einig: Arbeitsklima, Bezahlung, mehr Freizeit und vor allem Wertschätzung sind die entscheidenden Faktoren, um in Zukunft gute Fahrer zu halten oder zu bekommen.
„Und ein Scania“, ergänzt Michael Finkbeiner, selbstfahrender Unternehmer aus Freiburg mit mittlerweile acht Scania, die Liste der Faktoren. „Der zieht immer. Unsere junge Flotte hilft definitiv, wenn sich Fahrer bewerben. Neben dem Lkw dürfen die Fahrer auch noch das Design mitbestimmen. Aber entscheidend ist vor allem der Zusammenhalt. Als Chef gehe ich da mit einem guten Beispiel voran.“ Selbst Sven Speier, Juniorchef einer kleinen Kipperflotte aus dem Westerwald, die Ton in die Schweiz transportiert, bestätigt, dass bei der Fahrersuche seine in der deutschen und internationalen Fahrerszene bekannten Scania immer wieder Fahrer zumindest für erste Gespräche motivieren. „Der ‚King of the Road‘ ist immer noch der Wunsch vieler Fahrer“, sagt Speier.

Holger Nitsche ist Lkw-Fahrer aus Überzeugung und schätzt die V8-Power seines Volumenaufliegers.
Daher drängen in der Transportbranche immer mehr weiche Faktoren in den Vordergrund, wie man langjährige Fahrer halten und neue Fahrer gewinnen kann. Einer davon ist die oft zitierte Work-Life-Balance, die vor allem beim Nachwuchs einen hohen Stellenwert hat. Grössere Speditionen wie etwa Barth in Burladingen haben daher sogar drei Arbeitszeitmodelle, wie Ausbildungsleiter Michael Pfister erläutert. „Wir bieten Touren im Nahverkehr, Touren im Fernverkehr und nächtliche Begegnungsverkehre. Bei uns haben die Fahrer die Qual der Wahl. Und für manche ist es dann die Krönung, wenn sie bei uns einen der neuen Scania bekommen.“
Eine familiäre Unternehmenskultur steht bei der Planzer Transport AG mit Hauptsitz in Dietikon in der Schweiz ganz oben. Und das spricht sich auch unter Fahrern herum, ist Andrea Brosi, Leiter Personal bei Planzer, überzeugt. Soziale Medien sind bei der Rekrutierung neuer Planzer-Fahrer zwar wichtig geworden, aber der direkte Kontakt ist durch nichts zu ersetzen, weiss er: „Ausgelerntes Fahrpersonal kommt oft über persönliche Beziehungen zu uns.“
Bei 5'500 Mitarbeitern Gemeinschaft zu formen, ist eine Kunst, die Planzer offenbar beherrscht. Allein in der Schweiz hat Planzer 59 Standorte, weitere neun im Ausland – darunter auch Hongkong. Nicht nur für Fahrerin Rahel Gugger ist das Betriebsklima wichtiger als das schöne Auto, das sie fährt. Die 25-jährige Chauffeuse arbeitet seit acht Jahren beim grössten privaten Logistiker der Schweiz. Bereits nach einem Jahr als „Springer“ bekam sie ihr festes Fahrzeug und fährt derzeit mit einem nagelneuen Scania Stückgut im Raum Luzern. „Das Auto ist mein zweites Zuhause“, lacht die 25-Jährige. Was sie an ihrem Arbeitgeber schätzt, ist schnell gesagt: „Die Firma ist gross, der Zusammenhalt auch.“

Für Rahel Gugger, Fahrerin bei Planzer Transport AG in der Schweiz, ist der Lkw ihr zweites Zuhause.
Motiviertes Fahrpersonal
Fahrer können sich heute – im Prinzip – jede Stelle aussuchen. Allerdings seien sie auch wählerisch geworden, meint Matthias Heinrich, Silospediteur für Baustofftransporte mit 20 Lastzügen aus Bruchsal. Sein Lohnangebot liegt über dem regionalen Durchschnitt. Auch er hat eine langjährige Stammbelegschaft. Die älteren Fahrer und ihre Familien sind an das Getrenntsein gewöhnt. „Heute bekommen wir Bewerbungen von Fahrern, die sich von unseren Lkw angesprochen fühlen“, so Heinrich. „Dann aber stellt sich heraus, dass sie den Lkw mit nach Hause nehmen wollen, um die eigene Pkw-Anfahrt zu sparen, und schon gar nicht mehr die ganze Woche auf Tour sein wollen.“
Um gute Fahrer anzuwerben, versuchen sich viele Unternehmen abzuheben: Sie übernehmen die Kosten für die verpflichtende Weiterbildung, sie organisieren Fahrsicherheitstrainings, sie entwickeln Prämienmodelle, sie bezuschussen betriebliche Rentenverträge, sie spendieren zusätzliche Ausstattung, zahlen für Fitness. Auf der Ebene der normalen Fluktuation, die jedes grössere Unternehmen hat, ist ein reger Wettbewerb der Versprechungen im Gange, die allerdings von Unternehmerseite bei Löhnen und Arbeitszeiten nicht immer eingehalten werden. Doch im gleichen Zuge, wie die Ansprüche der Fahrer an die Leistungen der Unternehmer steigen, sinkt auf der Fahrerseite die Qualität – nicht immer, aber immer öfter. Zunehmende Schadenquoten in den Flotten belegen das. Es ist ein offenes Geheimnis: Aus Not werden heute Fahrer eingestellt, die früher noch nicht einmal zum Bewerbungsgespräch geladen worden wären.
Um für beide Seiten optimale Bedingungen zu schaffen, müssen viele Faktoren zusammenspielen – das kann schon bei der Motivation des Fahrers anfangen. Bis eines Tages autonom fahrende Lkw unsere täglich benötigten Konsum- und Produktionsgüter selbstständig von A nach B bringen, braucht es zuverlässiges, gut ausgebildetes und vor allem motiviertes Fahrpersonal. Für jeden kann etwas anderes motivierend sein, um seinen Job zuverlässig zu machen. Für den einen ist es die Work-Life-Balance, für den anderen eine angemessene Bezahlung und für den Dritten eben ein Wunschfahrzeug, mit dem er gern auf Tour geht.

Sven Speier, Juniorchef bei R. Speier Transporte weiß, dass der 'King of the Road' ein Fahrermagnet ist.